Rezension zu „Bienengemäß imkern – Das Praxis-Handbuch“ von Günter Friedmann
„Bienensterben“, „Die Biene in Gefahr“ und ähnliche Schlagzeilen haben in den letzten Jahrzehnten für Aufregung gesorgt und die faszinierenden Insekten in die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit gerückt. Gärtner*innen überlegen, wie sie ihre Flächen bienenfreundlich bepflanzen können. Initiativen bemühen sich um den Schutz der Honigbiene. Offensichtlich handelt es sich um ein sehr aktuelles und viel diskutiertes Thema. Doch wie viele kennen eigentlich die genauen Gründe, die hinter der Abnahme der Bienenvölker stecken? Wie viele kennen die Zusammenhänge zwischen Insektiziden, Herbiziden, Silage, Glyphosat und dem Rückgang der Bienen? Und wie lässt sich durch das eigene Imkern die Natur der Bienen fördern und eine Beziehung zwischen Mensch und Tier aufbauen? Mit seinem Buch „Bienengemäß imkern“ bietet Günter Friedmann spannende Einblicke in die Welt und Gefährdung der Bienen für alle Interessierten, die endlich die Hintergründe verstehen möchten. Gleichzeitig kann das Buch als Standardwerk für alle Imker*innen bezeichnet werden, die nach Demeter-Leitlinien ökologisch imkern wollen.
Inhalt und Aufbau
Bienen als politische Tiere
Wie bereits in der Einleitung kurz angesprochen, setzt Friedmann bei der Aktualität des Themas „Bienenschutz“ an. Aus den einführenden Kapiteln wird schon die Wertschätzung für die besonderen Insekten deutlich, die der Autor vermitteln möchte. Als begeisterter Imker mit langjähriger Erfahrung führt er Leser*innen, egal ob Anfänger*innen oder Fortgeschrittene, mit viel Hintergrundwissen in die Ursachen des Bienenrückgangs ein. Es wird deutlich, dass von einer „Krise der Imkerei“ nicht weltweit die Rede sein kann. Beispielsweise in Südamerika, in der die Afrikanisierte Honigbiene Verbreitung findet, scheint die Bienenzucht zu boomen.
Worin liegen nun aber die Gründe für die zunehmende Abnahme der Bienenvölker in Europa? Unter Einbezug aktueller Forschungsergebnisse zeigt Friedmann die Zusammenhänge zwischen moderner Landwirtschaft und Wohlbefinden der Bienen auf. So geht er unter anderem auf Neonicotinoide und andere Insektizide ein, schildert die Rolle von Herbiziden und Silage und erklärt, was wirklich hinter Glyphosat steckt. Zudem bezeichnet der Autor die Biene als „politisches Tier“, das mittlerweile stark im Mittelpunkt öffentlicher Debatten steht.
Gleichzeitig beschreibt Friedmann diese Insekten auch als Bioindikatoren, die natürliche Vorgänge, Einwirkungen durch den Menschen und Auswirkungen der derzeitigen Landwirtschaft auf Flora und Fauna vor Augen führen können. Dass für eine nachhaltige Veränderung eine Zusammenarbeit von Landwirt*innen, Imker*innen, Politik, Wissenschaft und Konsument*innen gefordert ist, stellt der Autor ebenfalls fest. Und durch dieses spannende erste Kapitel werden sicherlich einige Leser*innen die Zusammenhänge besser verstehen und sich gleich selbst für den Bienenschutz engagieren.
Bienengemäß imkern in der Praxis
Die folgenden Abschnitte richten sich vor allem an Menschen, die selbst imkern oder überlegen, damit zu beginnen. Aber auch Leser*innen, die keine eigenen Bienen haben, finden zahlreiche Denkanstöße und Informationen zum Thema „Umgang mit Bienen und Natur“. Interessant erscheint Friedmanns Herangehensweise: Wie er ausführt, hat die Hinwendung zum ökologischen Imkern einen eindeutigen Schritt nach vorne bewirkt. Dennoch ist er der Meinung, dass nicht auf der erreichten Stufe stehen geblieben werden darf.
Stattdessen plädiert er für ein bienengemäßes Imkern, bei der eine enge Beziehung zwischen Mensch und Biene im Mittelpunkt steht. Laut Friedmann kann es nicht reichen, einige Vorgaben für Bio-Imkern umzusetzen. Vielmehr sollte ein Arbeiten mit den Bienen sowie ein Achten und Wertschätzen dieser Tiere den Kern des Imkerns bilden. Dies erfordert ein genaues Hinschauen, Fühlen und Mitempfinden mit den Bienen, um stets die Bedürfnisse und natürlichen Prozesse der Insekten zu verstehen und danach zu handeln.
Standort und Beute
Wie diese Grundgedanken in der Praxis umzusetzen sind, zeigt der Autor anschaulich in den folgenden Kapiteln. Wie finde ich den richtigen Standort für meine Bienenvölker? Was benötigen die Insekten natürlicherweise, um sich wohlzufühlen? Wo darf ich eigentlich meine Bienen aufstellen? Diese Fragen klärt Friedmann unter Einbezug aktueller Erkenntnisse, aber leicht verständlich und anschaulich. Dadurch werden die Praxistipps auch für Anfänger*innen umsetzbar, allerdings ist dieses Buch nicht in erster Linie als Anleitung für Einsteiger*innen gedacht. Wer gerade erst mit der Imkerei beginnt, sollte zusätzlich noch auf Grundlagenliteratur zurückgreifen. Dennoch ist dieses Werk für alle Personen zu empfehlen, die einen Einblick in bienengemäßes Imkern erhalten möchten.
Auch auf die Schwierigkeit, die passende Beute zu finden, geht Friedmann ein. Zu loben ist, dass er nicht eine Variante als die beste hervorhebt, sondern vor Augen führt, dass einige Themen in der Imkerei teils kontroversiell diskutiert werden. Dadurch macht er deutlich, dass es nicht immer eine perfekte Lösung für alle Fälle gibt, sondern oftmals aus Erfahrung gelernt und auf die Bedürfnisse der Bienen geachtet werden muss. Dennoch erfolgt die Diskussion von Vor- und Nachteilen einzelner Beutensysteme, sodass eine fundierte Entscheidung leichter fällt. Eine andere heiß diskutierte Thematik schneidet der Autor mit der Frage nach einem Absperrgitter an, wobei er auch hier für ein Abwägen und Einbeziehen der jeweiligen Umstände plädiert.
Fortpflanzung, Zucht und Co
In den nachfolgenden Abschnitten stellt der Autor weitere relevante Themen rund um die bienengemäße Imkerei vor. Beispielsweise erläutert er Ursachen und Ablauf des Schwarmprozesses sowie Methoden zur Unterdrückung desselben durch den/die Imker*in. Und wie kann nun aus Sicht der bienengemäßen Imkerei mit diesem Phänomen umgegangen werden? Mit vielen Praxistipps schildert der Autor Möglichkeiten des Umgangs mit dem Schwärmen und zeigt die Funktionsweise des Biens als Gesamtorganismus auf.
Ausführliche Informationen finden Leser*innen zudem zu Fortpflanzung und Vermehrung der Bienen sowie zu Zucht und bienengemäßer Selektion. Auch den Bau von Waben stellt der Autor in einem langen Kapitel vor. Interessant und neu ist Friedmanns Herangehensweise auch deshalb, weil er bei jeder Thematik die Sicht der Bienen und die Sicht der Imker*innen beleuchtet. So erklärt er anfangs die natürlichen Bedürfnisse und Verhaltensweisen der Insekten. Anschließend thematisiert er unter der Frage „Was will der Imker?“ aber auch die Wünsche des Menschen. So macht er verständlich, wie sich eine Beziehung aufbauen und auf die Biene eingehen lässt, ohne dabei die eigenen Bedürfnisse zu vernachlässigen.
Diese Herangehensweise zieht sich durch das gesamte Buch, auch durch die anschließenden Kapitel über Honiggewinnung, Fütterung und Krankheitsbekämpfung. Ausführliche und aktuelle wissenschaftliche Informationen liefert der Autor zudem zu Varroa und den eventuellen zukünftigen Schritten im Kampf gegen diese Schädlinge.
Gestaltung und Gliederung
„Bienengemäß imkern“ ist mit Hardcover als wunderschöner Band mit zahlreichen hochwertigen Farbfotos und einer ansprechenden optischen Gestaltung erschienen. Zu Beginn finden Leser*innen ein übersichtliches Inhaltsverzeichnis, das eine gute Orientierung über den Aufbau des Werkes ermöglicht. Der Text auf den durch Über- und Unterüberschriften klar strukturierten Seiten ist in zwei Spalten gegliedert, was ein angenehmes Lesen fördert. Gelbe Infoboxen fassen Basisinformationen kurz und knapp zusammen oder liefern persönliche Praxistipps des Autors. Zudem sind anders gefärbte Seiten zu finden, auf denen Spezialthemen behandelt werden. So beispielsweise der „Bien als Organismus“ oder „historischer Umgang mit Königinnenzucht“.
Neue Kapitel leitet der Autor mit ganzseitigen Fotografien und kurzen Zusammenfassungen ein. Zudem ist in der oberen Ecke stets ersichtlich, in welchem Abschnitt gerade gelesen wird. Zu jedem Thema werden wunderschöne Farbfotos geliefert. Beschriftungen verdeutlichen dabei noch einmal, was darauf zu sehen ist. Fast alle Handgriffe und Sachverhalte werden mit Fotos verständlich gemacht oder durch übersichtliche Grafiken illustriert. Auf diese Weise können auch Anfänger*innen der Imkerei nachvollziehen, was der Autor im Text erläutert.
Fazit
„Bienengemäß imkern“ überzeugt sowohl durch die wunderbare Gestaltung als auch durch die wissenschaftlichen und praktisch relevanten Informationen. Die vielen Farbfotos und die klare Seitenstruktur machen das Lesen und Durchblättern dieses Bandes zu einem außergewöhnlichen Erlebnis für alle Bienenfreund*innen. Vorrangig richtet sich der Autor an Menschen, die gerne bienengemäß imkern möchten. Aber auch an all jene Leser*innen, die selbst nicht imkern, denen der Schutz der Bienen aber am Herzen liegt, werden sich über die spannenden Hintergrundinformationen freuen. All jene, die Anregungen und Tipps zu ökologischem Imkern nach Demeter-Leitlinien suchen, werden hier ebenfalls fündig werden: Günter Friedmann liefert hilfreiche Informationen und Anleitungen aus eigener Erfahrung. Darüber hinaus fördert er eine besondere Wertschätzung für die faszinierenden Insekten.