Rezension zu „Ökologische Bienenhaltung – Die Orientierung am Bien“ von David Gerstmeier und Tobias Miltenberger
Die Biene ist in Gefahr. Pestizide, Krankheiten, Nahrungsmangel durch Monokulturen, Überzüchtung – Das sind nur einige Probleme, die das weltweite Sterben von Bienenbeständen verursacht haben. Es ist daher unabdingbar, die Beziehung zwischen Mensch und Biene zu überdenken. Die Tiere dürfen nicht mehr einzig als Honiglieferanten betrachtet werden, deren Haltung der Gewinnung von Produkten für den Menschen dient. – Diese Gedanken nehmen die Berufsimker David Gerstmeier und Tobias Miltenberger als Ausgangspunkt für ihr Buch „Ökologische Bienenhaltung“.
Die Autoren machen in ihrem Vorwort deutlich: Ihr Werk will und soll kein Praxishandbuch sein. Das heißt aber keinesfalls, dass „Ökologische Bienenhaltung“ nicht auch für angehende Imker*innen zu empfehlen ist. Gerstmeier und Miltenberger vermitteln ein grundlegendes Verständnis für wesensgemäße Bienenhaltung. Zudem zeigen sie auf, wie der Mensch eine respektvolle Beziehung zu den Bienen und der Umwelt aufbauen kann. „Ökologische Bienenhaltung“ ist ein wunderschön gestaltetes Buch, das allen Interessierten nicht nur Wissen, sondern auch ein neues Verständnis für unsere summenden Freunde vermittelt.
Inhalt und Aufbau
Bio-Imkerei, die Biene und das Bienenvolk
Als Einstieg nehmen die Autoren unterschiedliche Ansätze zur Imkerei in den Blick. Die Leser*innen erhalten hier Einblicke in unterschiedliche Wege auf dem Weg zur Imkerei. Hilfreich ist besonders die übersichtliche Tabelle, in der verschiedene Anbauverbände wie Konventionell, Bioland oder Demeter vorgestellt werden. Wer sich also unter Bio-Imkerei noch nicht viel vorstellen kann, bekommt hier Informationen zu den Merkmalen der einzelnen Möglichkeiten.
In ihrem nächsten großen Kapitel widmen sich Gerstmeier und Miltenberger dem sogenannten Bien, also dem wie ein Individuum funktionierenden Bienenvolk. Kein Bienenvolk ist wie das andere, jedes funktioniert wie ein eigener Gesamtorganismus, machen die Autoren hier deutlich. Sie liefern hier allgemeines Wissen über Bienen und erklären etwa Körperbau, die Sinne und die drei Bienenwesen. Auch die Entwicklungsgeschichte der Honigbiene zeichnen Gerstmeier und Miltenberger nach. Sie stellen außerdem Verwandte unserer Honigbiene vor und geben Einblicke in die faszinierende Welt der Genetik bei Bienen. Als faszinierend habe ich zudem den Vergleich empfunden, der zwischen dem Bien und dem Menschen angestellt wird. Kollektive Intelligenz, das Erkennen von Gerüchen, Muttermilch und Gelée Royale – Hier werden überraschende Parallelen bewusst gemacht.
Die Bienen und wir
Im darauffolgenden Kapitel machen die Autoren die Beziehung zwischen Mensch und Biene zum Thema. Sie zeigen auf, dass Bienen viel mehr sind als nützliche Insekten zur Honigproduktion. So beschreiben sie Bienen als jene Tiere, die uns die Zusammenhänge der Natur am deutlichsten aufzeigen. Auch für gesunde Nahrungsmittel sorgen unsere summenden Erden-Mitbewohner und durch die Bestäubung erhalten sie die pflanzliche Vielfalt aufrecht. Wer Bienen halten möchte, muss sich genau diese Dinge bewusst machen und ständig an einer respektvollen Beziehung zu den Bienen arbeiten. Die Autoren zeigen, wie sich ein Vertrauensverhältnis zwischen Mensch und Tier aufbauen lässt.
Während das Schwärmen von vielen Imker*innen unerwünscht ist, betrachten Gerstmeier und Miltenberger dieses als faszinierendes Naturschauspiel. Sie widmen dem Schwarmverhalten ein umfangreiches Kapitel und liefern hier auch praktisch relevante Tipps, wie die Arbeit mit dem Schwarmtrieb gestaltet werden kann. Anschließend befassen sich die Autoren mit der Rolle der Königin und beschreiben ihre faszinierenden Aufgaben. Besonders interessant erscheint auch das nächste Kapitel, das sich allein dem Bau der Waben widmet. Hier wird Bewunderung für die Baukünste der Bienen vermittelt. Und wer sich schon immer gefragt hat, wie denn nun die Form der Wachszellen entsteht, wird in diesem Abschnitt ebenfalls fündig. Weiselzellen, Drohnenzellen, Arbeiterinnenzellen und Heftzellen – Auch auf eine Beschreibung der verschiedenen Zellarten wurde nicht vergessen.
Durchs Jahr mit den Bienen
Wer ein Bienenvolk über das Jahr beobachtet, wird feststellen, welch unterschiedliche Ereignisse sich abspielen. Gerade für eine wesensgemäße Bienenhaltung sollten Imker*innen versuchen, das Leben des Volkes im Jahresverlauf zu verstehen, machen die Autoren deutlich. Denn gerade an den Vorgängen innerhalb des Biens müssen sich die Aufgaben der Imker*innen orientieren. Die Leser*innen werden mitgenommen auf eine Reise durch das Bienenjahr. Besonderheiten in den einzelnen Jahreszeiten sowie imkerliche Maßnahmen werden hier überblicksartig beschrieben.
Viele Seiten widmen Gerstmeier und Miltenberger im Anschluss den „Gaben“ der Bienen. Schon an diesem Begriff wird erkennbar, dass die Autoren Honig, Propolis und Co nicht als selbstverständliche Produkte, sondern als Geschenke wahrnehmen. Von Bestäubung über Honig bis zu Bienengift beschreiben sie all diese Gaben. Angehende oder schon erfahrene Imker*innen wird sicherlich besonders der Abschnitt über Honiggewinnung interessieren. Die Autoren plädieren für eine verantwortungsbewusste Gewinnung dieses Nahrungsmittels und sprechen sich gegen eine Massenproduktion von Honig aus.
Praktisch relevant ist für viele Bienenhalter*innen das Kapitel „Bienenort – Zentrum und Umkreis“. Hier finden sie Informationen zum Nistangebot und zu unterschiedlichen Beuten. Hilfreich sind auch die schematischen Darstellungen der Beuten sowie die Tabelle über unterschiedliche Rahmenmaße. Und wer den richtigen Ort für das Aufstellen der Bienen sucht, bekommt hier wichtige Hinweise.
Bienen in Gefahr?
Abschließend machen die Autoren auf sogenannte „Unstimmigkeiten“ aufmerksam. Dieser Abschnitt beschränkt sich nicht nur auf Krankheiten, denn die machen nach Gerstmeier und Miltenberger nur einen kleinen Teil der Gefahren für Bienen aus. Neben Infektionen oder etwa einem Befall mit Varroamilben thematisieren sie auch Industrialisierung, Globalisierung oder die Ausbeutung der Bienen durch den Menschen. In ihrem letzten Kapitel zeigen die Autoren Möglichkeiten für die Zukunft der Bienen und eine Zukunft mit den Bienen auf. Sie plädieren an alle Imker*innen, Konsument*innen, Landwirt*innen und eigentlich an jeden einzelnen Menschen, einen Beitrag für die Erhaltung der für die Erde unerlässlichen Bienen zu leisten.
Gestaltung und Gliederung
Das übersichtlich aufbereitete Inhaltsverzeichnis sowie das umfangreiche Stichwortregister am Ende ermöglichen eine leichte Orientierung innerhalb dieses 170 Seiten langen großformatigen Buches. Zur Übersichtlichkeit tragen auch die einheitlich gestalteten Überschriften bei. Außerdem ist der Text in zwei angenehm zu lesende Spalten gegliedert. Vor jedem neuen Kapitel findet sich eine ganzseitige farbige Fotografie, die den Beginn des neuen Abschnitts eindeutig markiert. Interessant sind auch die Zusatzinformationen, die in farblich anders gestalteten Infoboxen geliefert werden.
Jede Seite dieses beeindruckenden Buches wird von einer oder mehreren wunderschönen farbigen Fotos oder Illustrationen geziert. Die Abbildungen verdeutlichen die im Text vermittelten Illustrationen, diese wirken aber selbst wie kleine Kunstwerke. So machen die häufig sehr großen Fotos allein das Durchblättern des Buches zu einer Freude. In den detaillierten Makroaufnahmen der Bienen sowie den Darstellungen der Autoren mit ihren Tieren spiegeln sich die Liebe zu den Bienen und die vertrauensvolle Beziehung zwischen Mensch und Tier wider.
Fazit
„Ökologische Bienenhaltung“ ist ein wundervolles, informatives und zugleich schön anzusehendes Buch, das ich allen angehenden oder fortgeschrittenen Imker*innen sowie allen Interessierten an ökologischer Bienenhaltung empfehlen kann. Die Leser*innen bekommen hier ansprechend aufbereitetes faszinierendes Bienenwissen präsentiert. In sprachlich fesselndem Stil und mit beeindruckenden Fotografien legen Gerstmeier und Miltenberger ihr Verständnis eines harmonischen Miteinanders von Mensch und Biene dar. Ihre Botschaft vermitteln sie so auf eindringliche Weise: Der Mensch braucht die Biene und die Biene den Menschen. Und nur wenn wir verstehen, wie angewiesen wir auf diese faszinierenden Tiere sind, und uns um eine respektvolle Beziehung bemühen, können wir in Einklang mit den Bienen und der Umwelt leben.